Das Erntedankfest dieses Jahres steht unter ganz besonderen, ja schwierigen und nahezu übermächtigen Vorzeichen. Wie kaum zuvor sind Selbstver-ständlichkeiten und Sicherheiten der Versorgung und des Wohlstandes brüchig und kritisch geworden. Noch immer halten uns die Folgen und Begleiterscheinungen der Coronapandemie gefangen. Ein weiterer Sommer der Dürre und einer sich abzeichnenden Wasserknappheit in Teilen unseres Landes als Folge der fortschreitenden Erderwärmung wird eine Reihe von Ernterückgängen mit sich bringen.
Der unselige Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Verknappung und Verteuerung der fossilen Energieträger, die inflationäre Preiserhöhungen mit sich bringen und viele von uns vor die Frage stellen, wie wir den Winter überstehen werden und in seiner Folge viel mehr Menschen dieser Welt hungern müssen als sonst, weil das Getreide aus der Kornkammer Europas nicht exportiert werden kann. Und, und, und...
Mir fällt dabei auf, wie sehr die beiden Worte DANKEN und DENKEN etwas miteinander zu tun haben. Beide Wörter klingen ähnlich. Und auch inhaltlich gehören sie näher zusammen, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Das "Denken" ist eine Leistung unseres Gehirns. Das "Danken" eher eine Reaktion unseres Herzens. Was ergibt sich nun daraus, dass "Danken" und "Denken" einander ergänzen? Wenn ich meine Gedanken sammle und dabei erkenne, wie viel Grund zur Dankbarkeit ich habe, dann wird diese Dankbarkeit nur umso größer. Und umgedreht: Wenn ich die Dankbarkeit des Herzens mit meinem Verstand als etwas erkenne, das nicht selbstverständlich ist, gehe ich umso aufmerksamer durchs Leben.
Und dann kommt zum "Danken" und "Denken" fast selbstverständlich auch noch das verantwortliche "Handeln" dazu. Also: "danken und denken und handeln" - "handeln und denken und danken" - "denken und handeln und danken". Es ist gut, diese drei Möglichkeiten, die Gott in uns hineingelegt hat, nicht nur am Erntedanktag miteinander zu verbinden und zu bedenken.
Vor wenigen Tagen war ich aus Gründen der Vorbereitung einer Fahrt unserer Gemeinden nach Rom und Assisi in der Stadt des Heiligen Franziskus. Kaum ein anderer wusste und fühlte besser als er, dass der Mensch mit aller Schöpfung und Kreatur durch ein geschwisterliches Band verknüpft ist. Sein Denken und Handeln ruft uns an, wieder dafür sensibel zu werden, dass die Schöpfung nicht einfach etwas ist, über das der Mensch nach Belieben verfügen kann. Indem wir uns be-wusstwerden, dass es sich bei der Schöpfung nicht um leblose Dinge handelt, um Sachen mit einem bestimmten Marktwert, sondern um lebende, fühlende Wesen und eine zerbrechliche Struktur des Gleichgewichts. Wesen und Strukturen, über die der Mensch schon viel zu lang achtlos hinweg getrampelt ist. In einem aus diesem Bewusstsein dankenden, denkenden und handelnden Menschen wird dann sicher ein Gespür dafür wachsen, dass die Schöpfung einen eigenen Wert hat, der ihr von Gott selbst verbrieft ist.
Ein solcher Mensch wird, insbesondere in dieser Zeit, die eigene Gesundheit und die der anderen achten und schützen und alles daran setzen, in seinen Möglichkeiten Schaden voneinander abzuwenden. Ein solcher Mensch wird alles daran setzen, in seinen Verhalten sparsam mit den Ressourcen seiner Umwelt umzugehen und sie zu schonen. Ein solcher Mensch wird mit seinen Verbräuchen so umgehen, dass alle genug haben werden und mit denen zu teilen, deren Grundversorgung in der kommenden Zeit ungewiss ist. Ein solcher Mensch wird dem Schöpfer, auch in diesem Jahr, danken und all denen, die sich um die Ernte gemüht haben und spüren, wie sehr wir uns alle einander verdanken.
Alexander Schweikert, Pfr.