Es gibt Gesten und Zeichen, in denen der Charakter und das Wesen eines Menschen ganz deutlich und erfahrbar werden. Sie kennen das vielleicht - man trifft sich im Kreis der Familie und beginnt »von früher« zu erzählen. Irgendwann steht einer auf und ahmt einen längst Verstorbenen nach: die charakteristische Art, zu reden oder sich zu bewegen. Manchmal genügt eine »typische Handbewegung« und alles muss schmunzeln und lachen. Dieser längst aus dem gemeinsamen Leben und Erleben Entschwundene ist plötzlich gegenwärtig. Mit der Erinnerung kommen auch alle Gefühle zurück, die mit dem Menschen verbunden waren: Zuneigung und Liebe, vielleicht aber auch Abneigung und Antipathie.
Auch für Jesus von Nazaret gibt es eine solche Geste, eine »typische Handbewegung«, in der sein ganzes Wesen und Tun zusammengefasst ist. Es ist die Geste des Brotbrechens, die Geste des Verschenkens. Durch dieses Tun, durch das Brotbrechen und Brotausteilen, werden wir hineingenommen in den Augenblick, als Jesus sich an seine Jünger und die ganze Welt verschenkte. Am Gründonnerstag im Abendmahlssaal nahm Jesus in Brot und Wein voraus, was er am Karfreitag wirklich für uns getan hat: Er nahm Brot und Wein und sagte den Jüngern: Das bin ich für euch! Er verschenkte sich selbst, gab sein Leben, seine ganze Liebe für das Leben der Welt.
Diese Geste Jesu war so besonders, dass seine Jünger ihn daran auch über seinen Tod hinaus erkennen konnten. Etwa als er ihnen auf dem Weg nach Emmaus begegnete. Als er mit ihnen Mahl hielt und das Brot brach, da gingen ihnen die Augen auf. Sie erkannten ihn nicht an seinem Gesicht und an seiner Gestalt, sondern am Brechen des Brotes, an der Gemeinschaft des Mahles. Da erfassten sie es intuitiv: Es ist der Herr!
Immer wieder hatte Jesus zu Lebzeiten Brot mit Menschen geteilt, so dass es nach Ostern zu seinem »Erkennungszeichen« wird. Immer wieder saß er mit Menschen bei Tisch zusammen, aß und trank mit ihnen. Und er lud vor allem die Ärmsten der Armen an seinen Tisch: Zöllner, Sünder, zerbrochene, zerschundene, gefallene, verelendete Menschen. Menschen, die wirklich Liebe, Vergebung, Zuwendung und Erlösung brauchen. Menschen, die hungern und dürsten nach Anerkennung, Angenommen-Sein und Würde. So will Jesus für uns sein, wie Brot. Mit seiner ganzen Kraft und Liebe, mit Haut und Haar, mit Fleisch und Blut. Mit seinem Innersten, seinem ganzen Wesen.
Er sagt: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel kommt. Ein Brot, das Leben spendet weit über diese Zeit hinaus. Ja, wer Jesus aufnimmt und wer mit ihm Gemeinschaft hat, der hat Leben in Ewigkeit. Der muss sich nicht mehr ängstigen, nicht geizen und für sich behalten. Sein Geist beseelt ihn und verwandelt Innerstes. Und das Innerste drängt dann nach außen, will sich mitteilen, Zeugnis geben und damit auch die Welt verändern. Das feiern wir Fronleichnam.
Ja, wer das Brot Jesu empfangen hat, wer von seinem Fleisch und Blut durchdrungen ist, der kann nicht tatenlos dem Unrecht und dem Elend der Welt zuschauen. Der muss Partei ergreifen, seine Stimme erheben, der muss sich einsetzen für die Verwandlung der Welt. Wer Christus empfangen hat, muss zum Zeugen werden. Das ist unser Auftrag aus Fronleichnam.
Leider werden unsere Möglichkeiten auch in diesem Jahr durch die Coronasituation begrenzt sein. Deshalb laden wir zur Eucharistiefeier um 10.00 Uhr in den Pfarrgarten auf der Dr. Lindemann Straße hinter dem Pfarrhaus ein. Sollte die Wettersituation die Feier im Freien nicht zulassen, findet der Gottesdienst in der Kirche statt. Eine Prozession wird noch nicht möglich sein.
Ihr Alexander Schweikert, Pfr.