Am 2. August machten wir uns mit 31 Fußpilgern und 21 Radpilgern wieder auf den Weg. Für mich war es das vierte Mal, dass ich als Fußpilgerin dabei war, und ich war ziemlich aufgeregt. Sehr gut hatte ich die Anstrengungen der letzten Male noch vor Augen. Mit Demut und dem nötigen Respekt vor dem anstrengenden Tag verließ ich am frühen Morgen das Haus in Richtung Kirche, aus der so früh am Morgen ein fröhliches Treiben drang.
An einer solchen Wiedersehensfreude musste selbst der liebe Gott Gefallen haben, auch wenn es etwas lauter im Gotteshaus zuging. Meine Aufregung löste sich auf und ich freute mich auf die Menschen und den Gedankenaustausch mit ihnen, die Gebete, die Einkehr und nicht zuletzt auf die gemeinsame Zeit.
Pastor Schweikert erteilte uns den Reisesegen, dann brachen wir auf. Der Morgennebel begleitete uns fast bis zum Mittag, so als hätte er sich von unserem Leitwort angesprochen gefühlt. Nach einer langen Wegstrecke mit Gebeten und Meditationen an den Wegkreuzen, Frühstückspause in Leuth, Mittagessen in Straelen und nicht zu vergessen das wunderbar erfrischende und kraftgebende Gerstengetränk in Lüllingen, kamen wir schließlich ziemlich pünktlich um 18.00 Uhr in Kevelaer an. Ich vermisste auf dem Weg den Satz aus den letzten Jahren: „Wir hängen.“ Nein, diesmal hingen wir nicht, wir waren pünktlich. Die Radpilger nahmen uns mit Beifall in Empfang und gemeinsam zogen wir zur Gnadenkapelle, um die Gottesmutter mit Gesang und Gebet zu ehren. Geschafft. Wir umarmten uns und waren glücklich, angekommen zu sein. Meine Beine waren mir sehr fremd geworden und wollten nicht mehr so richtig mitmachen. Aber nach einer heißen Dusche und dem Abendessen fühlte ich mich schon wieder viel besser.
Während der Vesper in der Beichtkapelle hörten wir von der japanischen Tradition „Kintsugi“, einer Technik, mit der zerbrochene Keramikstücke repariert werden. Anstatt die Nähte der zusammengefügten Teile zu übermalen (vertuschen), werden sie mit Gold nachgezeichnet und so deutlich sichtbar gemacht. Auf diese Weise soll zerbrochenen Gegenständen neues Leben eingehaucht werden. Was für eine wunderbare Symbolik! Wie oft passiert es, dass Menschen in ihrem Leben vor einem „Scherbenhaufen“ stehen und sich ein neues Leben aufbauen müssen. Sind nicht gerade die neu zusammengefügten Teile das, was diese Menschen heute ausmacht? Im „Brauhaus Kävelse Lüj“ ließen wir einen anstrengenden, aber auch sehr berührenden Tag gemütlich ausklingen.
Am Samstag begrüßten wir nach dem Frühstück die Pilgerinnen und Pilger aus Amern. Sie waren die ganze Nacht unterwegs gewesen und verdienten unseren Beifall. Nach und nach kamen unsere Gemeindemitglieder aus Niederkrüchten in Kevelaer an und gemeinsam feierten wir eine sehr schöne Pilgermesse in der St. Antonius-Kirche. Der Kirchenchor gab ihr einen besonders feierlichen Rahmen. Nach dem Mittagessen im Priesterhaus und einer kleinen Pause trafen wir uns gemeinsam mit den Pilgerinnen und Pilgern aus Amern im „Forum Pax Christi“ zum Kreuzweg. Der Rest des Nachmittages stand zur freien Verfügung. Nach dem Abendessen beschlossen wir den Tag mit einem gemütlichen Beisammensein im „Kachelofenzimmer“ des Priesterhauses.
Am nächsten Morgen trafen wir uns nach dem Frühstück um 5.15 Uhr zum Dankgebet an der Gnadenkapelle. Danach machten wir uns auf den Heimweg. Unterwegs feierten wir in Lüllingen einen Wortgottesdienst. Auch auf dem Rückweg hörte ich kein „Wir hängen!“. Wir kamen pünktlich um 18.00 Uhr in Niederkrüchten an, wo uns die Radpilger, einige Gemeindemitglieder und unsere Familien am Ortseingang schon erwarteten. Mit einer feierlichen Prozession zogen wir zur Kirche, um die Dankandacht zu feiern. Anstrengend war der Weg und immer wieder fühlte ich mich durch die Gemeinschaft zum Weitermachen (-gehen) ermuntert. Ist es nicht wunderbar, wenn es Menschen gibt, die uns mitnehmen, Mut machen oder einfach nur da sind? Ist Gott dann nicht mitten unter uns?!
So schnell war die Zeit vorbei. Wir umarmten uns herzlich bei der Verabschiedung und waren auch ein wenig stolz. Was für ein ergreifendes Wochenende, reich an Gebeten und Einkehr, reich an Austausch, reich an Anstrengungen und vor allem reich an unheimlich berührenden Momenten! Herzlichen Dank dem ganzen Orga Team und allen anderen für die tolle, gemeinsame Zeit.
Jana Bohnen