Neu anfangen - Fastenzeit 2022

Es ist Zeit (c) Peter Weidemann in pfarrbriefservice
Es ist Zeit
Datum:
Do. 24. Feb. 2022
Von:
Alexander Schweikert, Pfarrer

In Gedanken zur österlichen Bußzeit oder Fastenzeit schrieb vor kurzem der ehemalige Bischof von Erfurt Joachim Wanke:

Am Beginn der österlichen Bußzeit werden wir an den Anfang der Predigt Jesu erinnert. Jesus leitet seinen Weg zu den Menschen mit den Worten ein: ‚Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!‘ 

Ein uns geläufigeres Wort für Umkehr ist: Neuanfang. ‚Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne‘, sagt der Dichter Hermann Hesse. Es ist beglückend, ein kleines Kind zu erleben, das noch ganz unbefangen, neugierig und vertrauensvoll auf die Welt um sich herumschaut. Sein Leben fängt an. Es entfaltet sich. Alles ist offen, alles ist möglich. Schade, dass man diesen Augenblick des Anfangens nicht festhalten kann! Oder: Wenn zwei Menschen ihre gegenseitige Liebe entdecken und miteinander als Ehepaar einen gemeinsamen Weg anfangen und gehen wollen. Das ist wie ein Geschenk des Himmels. Oder: Wie gut tut es, in einer verfahrenen Situation, die durch mein eigenes Versagen entstanden ist, vom anderen zu hören: ‚Komm, lass uns miteinander neu anfangen!‘ 

Anfangen dürfen ist nicht selbstverständlich. Gleichwohl gibt es in jedem Menschen eine tiefe Sehnsucht danach. Unsere Lebenserfahrungen sind freilich oft ernüchternd. Aus dem Kind kann auch ein Plagegeist werden, aus einer großen Liebe ein Gefängnis, und auf das erlösende Wort der Vergebung kann man manchmal lange warten. Wir stecken in vielen Zwängen. Nicht nur die anderen, nicht nur die Verhältnisse sind daran schuld. Wir zwängen uns oft selbst ein in Gewohnheiten und Verkrustungen. Wie langlebig und dadurch besonders bitter kann manchmal ein Streit sein! Und wenn man sich einmal hochherzig zu einem Neuanfang aufrafft, in einer Beziehung, in einer Aufgabe, in der Bekämpfung einer schlechten Gewohnheit - wie schnell fährt der Lebenskarren dennoch wieder auf den alten Gleisen. Wir erfahren uns wie ohnmächtig, etwas ändern zu können. Das erklärt die Skepsis gegenüber allen Appellen, neu anzufangen. 

Was können wir tun? Schlimmer noch als ein einzelnes Versagen ist Resignation. Wer aufgibt, sich immer wieder um das Bessere zu mühen, gibt sich selbst auf. Das ist wie beim Wachsen und Reifen im menschlichen Leben, wo jeder Mensch lernen muss, dass jedes Wachstum im Guten in kleinen Schritten erfolgt. 

Darum sind wir Jahr für Jahr in der österlichen Bußzeit aufgerufen, neu anzufangen - mit Gott und miteinander; ja, auch bei uns selbst neu anzufangen, das Lebenshaus aufzuräumen und frei zu werden von alten Zwängen. Und wenn es nur ein kleiner Schritt wäre! Was kann uns dabei Mut machen? 

Dass wir dabei nicht nur auf uns selbst angewiesen sind!  

 

Alexander Schweikert, Pfr.