Fast jedes Jahr werden gerade zum Weihnachtsfest Umfragen gestartet, was sich die Menschen am meisten wünschen. Immer wieder werden genannt: Frieden, Geborgenheit in der Familie, Ruhe und Stille, Zeit zur Besinnung und in diesem Jahr sicher auch ein Ende des Auf und Ab der Corona Situation. Das alles sind berechtigte Wünsche, in Frieden sein zu können, diesen Frieden in der Gemeinschaft der nächs-ten Angehörigen zu erleben und in Ruhe und Gelassenheit miteinander feiern zu können.
Doch um das zu erreichen, wäre es vielleicht ratsam schon vorher anzufangen, miteinander zu sprechen, Zeit füreinander zu haben, um die Fragen und Spannungen, die es nun einmal zwischen Menschen gibt, zu lösen und aufzuarbeiten. Das braucht Zeit und Geduld, viel Feingefühl und viel Verständnis füreinander. Und das ist ein mühsamer Weg, der einen langen Atem braucht.
Nun ist der Advent, den wir in diesem Monat beginnen, eine ausgesprochene Zeit des langen Atems, des Wartens. Der Gottesdienst des ersten Advents weist uns besonders darauf hin. Ja, zunächst warten wir auf Weihnachten, das Kommen Gottes in unsere Welt. Dann lenkt das Evangelium des ersten Advents unseren Blick auf das endgültige Kommen Jesu am Ende der Geschichte, wo diese Welt an ihr Ziel kommt, dass Gott alles in allem sei.
Da hinein empfiehlt das Evangelium, »zu wachen und zu beten«. Wachen, das heißt, ohne Ängstlichkeit, doch mit großer Aufmerksamkeit die Stationen meines Lebens und unserer Welt zu sehen, um die Spuren Gottes nicht zu übersehen, wo und wann sie sich zeigen. Und beten, das heißt doch, sich immer wieder neu in die Haltung Jesu hineinzudenken. Sein Handeln, sein Denken, seine Worte in sich zu vergegenwärtigen, um so hineinzuwachsen in die Haltung seines Lebens. Wachen und Beten ist die adventliche Haltung! Aber wie komme ich zu einer solchen Haltung? Oder anders gefragt: Wie kann ich mich in diese Haltung einüben? Ein erster Schritt kann sein: Mut zur Langsamkeit! Die Erfahrung zeigt: Hektik im Alltag führt nicht zu mehr Zeit, sondern zu mehr Fehlern und innerer Leere. Vieles liegt nicht an der Zeit, sondern an den eigenen Erwartungen, was ich noch alles möglichst gleichzeitig schaffen will. Sich bewusst eine Zeit gönnen, ohne auf die Uhr zu schauen, und das Leben betrachten.
Ein zweiter Schritt: sich Zeit nehmen zu echter Begegnung! Wenn Sie am Adventssamstag in eine Innenstadt fahren und durch die Fußgängerzone gehen, haben Sie vielleicht unzählig viele Menschen gesehen, aber sind keinem so richtig begegnet. Überlegen Sie, für welchen Menschen Sie sich besondere Zeit nehmen wollen. Das können Sie dann als Geschenk des Tages im Herzen bewahren.
Ein dritter Schritt: Zeit für sich selbst finden! Vieles muss getan werden, gewiss. Nur muss wirklich alles sein? Behindern uns nicht manchmal die eigenen zu hohen Erwartungen? Immer mehr in immer weniger Zeit zu tun, führt in eine Sackgasse. Nicht beschleunigen, sondern entschleunigen ist jetzt angezeigt. Das, was ich gerade jetzt tun muss, ganz bewusst tun. Dann aber auch den Mut haben, Pausen einzulegen und nicht jede Sekunde des Tages zu verplanen. Auch wenn es sich jetzt komisch anhört: Ständige Geschäftigkeit kann auch eine Flucht vor dem eigenen Ich sein. Arbeit kann zur Ausrede verkommen, um mir selbst nicht zu begegnen. Gönnen Sie sich selbst. Sie sind mehr wert als nur das, was Sie leisten.
In diesem Sinne ist dann die Adventszeit, die Zeit des Wartens, Wachens und Betens keine unnütze Zeit, in der man nichts tut. Es ist eine Zeit höchster Aufmerksamkeit, um das Entscheidende unseres Lebens nicht zu versäumen. In diesem Sinn wünsche ich uns allen eine gute und gesegnete Adventszeit!
Ihr Alexander Schweikert, Pfr.
Bild: Martin Manigatterer In: Pfarrbriefservice.de